Freitagspredigt

Der Glaube an das Jenseits und die Rechenschaft

بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ
فَمَنْ يَعْمَلْ مِثْقَالَ ذَرَّةٍ خَيْرًا يَرَهُ  ، وَمَنْ يَعْمَلْ مِثْقَالَ ذَرَّةٍ شَرًّا يَرَهُ
Bismillahirrahmanirrahim
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Wer nun auch nur einen Deut an Wohl vollbracht hat, der wird Lohn dafür vorfinden.
Und wer auch nur einen Deut an Boshaftigkeit verübt hat, der wird dafür bestraft.”

[Sure “Zilzal“, Vers 7-8]


Verehrte Gläubige,

das Jenseits, das ewige Leben, das nach dieser Welt kommt, beginnt mit dem letzten Tag auf Erden - auch Jüngster Tag genannt. Er wird eingeleitet, indem der Engel Israfil auf Geheiß Allahs einmal in das Horn namens “Sur” bläst. Wenn der Engel dann ein zweites mal in dieses Horn bläst, stehen die Menschen wieder aus ihren Gräbern auf und versammeln sich zur Rechenschaft. Je nachdem wie sie geglaubt und gehandelt haben auf Erden, werden sie entweder bestraft oder belohnt.

Der Glaube an das Jenseits gehört zu den Grundpfeilern des Glaubens. Wer das Jenseits leugnet, bezeugt damit nur seinen Unglauben und sein Abfallen vom rechten Weg. So gemahnt uns Allah im Koran: “... Wer Allah, seine Engel, seine Offenbarungsbücher, seine Gesandten und den Jüngsten Tag leugnet, ist wahrlich vom Weg abgeirrt.” [1]

Verehrte Brüder und Schwestern,

zahlreiche Stellen im Koran weisen darauf hin, dass das irdische Leben vorübergehend ist, das Jenseits jedoch ewig währt. Dass die Menschen ferner nicht den irdischen Gelüsten verfallen, sondern um Glückseligkeit im Jenseits bemüht sein sollen, das für sie besser ist. Gleichzeitig wird hier aber auch darauf hingewiesen, dass dabei auch das irdische Leben nicht vernachlässigt werden darf. Denn dieses brauchen wir, um hier das jenseitige Leben zu verdienen. Das irdische Leben ist es, von dem unsere Glückseligkeit im Jenseits abhängt. Auf diesen Umstand weist uns der Koran an mehreren Stellen hin, wenn es hier heißt: “O mein Volk! Das irdische Leben ist wahrlich ein vorübergehendes Gut. Das Jenseits hingegen ist eine ewige Heimstätte.” [2] – “Streb mit dem, was dir Allah gegeben hat (indem du dieses in Seinem Dienste ausgibst), nach der jenseitigen Heimstätte. Aber vergiss nicht deinen Anteil am irdischen Leben. Und tue Gutes, so wie Allah dir Gutes wiederfahren lässt. Und strebe nicht nach Aufruhr auf Erden. Denn wahrlich, Allah liebt diejenigen nicht, die Aufruhr stiften.” [3] – “Aber ihr zieht das irdische Leben vor. Dabei ist das Jenseits besser und bleibender.” [4]

Verehrte Gläubige,

ein anderer Koranvers weist uns wiederum darauf hin, dass die Menschen am Tage der Versammlung, an dem die Rechenschaft abgehalten wird, so entsetzt sein werden vor Angst, dass sie selbt vor denjenigen fliehen, die sie auf Erden am meisten geliebt haben: “An diesem Tag flieht der Mensch vor seinem Bruder. Er flieht vor Mutter und Vater. Und er flieht vor seinem Ehepartner und seinen Kindern. An diesem Tag hat ein jeder genug mit sich selbst zu tun. Und an diesem Tag wird es lächelnde Gesichter geben, die strahlen vor Glück. An diesem Tag wird es aber auch Gesichter geben, vor Leid verhangen und tiefschwarz. Dies sind die Ungläubigen, die Frevler.” [5]

Verehrte Muslime,

an diesem Tag erhält jeder sein Tatenbuch in die Hand, in dem alles niedergeschrieben ist, was er auf Erden verrichtet hat. Diejenigen, die ins Paradies kommen, erhalten ihr Buch von der rechten Seite. Diejenigen jedoch, die der Hölle sind, erhalten es von hinten und von links. Dieses Tatenbuch, das von den Schreiberengeln (kiramen katibin) geführt wird, lässt nichts aus. Im Koran wird auf diesen Umstand wie folgt hingewiesen: “Und das Buch wird vorgelegt. Du wirst die Sünder in Angst vor dem sehen, was in ihm niedergeschrieben ist. ‘Wehe uns! Was ist dies nur für ein Buch? Es hat alles verzeichnet! Weder das Kleine hat es ausgelassen (von dem, was wir begingen), noch das Große!’ werden sie sagen. Derart werden sie vorfinden, was sie begangen haben. Und dein Herr tut niemandem Unrecht.” [6]

An diesem Tag wird der Mensch auch für das kleinste Wohl, das er verrichtet hat, belohnt und ebenso für das kleinste Übel, das von ihm ausging bestraft. Er wird insbesondere danach befragt, wo er sein Leben verbracht, was er in seiner Jugend getan, wie er seinen Lebenserwerb verdient und wofür er dies wieder ausgegeben hat und ob er sein Wissen entsprechend angewandt hat. [7]

Daher verehrte Brüder und Schwestern,

sollten wir uns darum bemühen, entsprechend dem Zweck unserer Erschaffung und im Bewusstsein um unsere Verantwortung uns selbst, unserer Familie, der Gesellschaft, in der wir leben, ja der ganzen Menschheit sowie Allah gegenüber uns zu verhalten. Dazu gehört, dass wir als glaubende Menschen sowohl das irdische als auch das jenseitige Leben bedenkend und das irdische Leben als Ort der Prüfung begreifend leben, dabei die Erfordernisse unseres Glaubens umsetzen und derart mit einem guten Charakter und moralisch-ethischen Werten ausgestattet zu vorbildlichen Menschen werden.

[1] Nisa, 4/136.
[2] Mu’min, 40/39.
[3] Kasas, 28/77.
[4] A’la, 87/16-17.
[5] Abese, 80/34-42.
[6] Kehf, 18/49.
[7] Tirmizi, Kıyamet 1.

Mehmet Tekin
Religionsbeauftragter der Zentralmoschee in Berlin

2011-02-18    


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