Freitagspredigt

Aufrichtigkeit im Glauben - Ihsān

بِسْمِ اللهِ الْرَّحمَنِ الْرَّحِيمِ
لِّلَّذِينَ أَحْسَنُواْ الْحُسْنَى وَزِيَادَةٌ وَلاَ يَرْهَقُ وُجُوهَهُمْ قَتَرٌ وَلاَ ذِلَّةٌ
أُوْلَـئِكَ أَصْحَابُ الْجَنَّةِ هُمْ فِيهَا خَالِدُونَ


Bismillāhirrahmānirrahīm

[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Diejenigen, die ihre Sache aufrichtig tun, erwartet (als Gegenleistung) Gutes und noch mehr. Ihre Gesichter werden weder von Schwärze bedeckt noch von Schmach. Sie sind des Paradieses und werden hierdrin ewig verweilen.”

[Sure Yūnus, Vers 26]
Verehrte Muslime,

Allah schuf den Menschen, damit dieser Ihm diene. Von Aufrichtigkeit und Kontinuität sollte die Dienerschaft des Menschen sein. Koran und Sunna beschreiben diese Innigkeit im Glauben mit dem Begriff ihsān – und fordern diese damit gleichsam ein.

Auf die Frage, was mit ihsān gemeint sei, antwortete unser Prophet (s.a.w.) dereinst: “Ihsān ist, wenn du Allah dienst, als würdest du Ihn sehen. Denn auch wenn du Ihn nicht siehst, so sieht Er doch dich!” [1] So begreifen wir mit diesem Hadis, dass mit ihsān die Innigkeit und Aufrichtigkeit gemeint ist, die ein Mensch in seinem Glauben anstreben sollte.

Den Begriff finden wir aber nicht nur wieder im Zusammenhang mit dem Glauben. Er beschreibt vielmehr die Aufrichtigkeit und die Gewissenhaftigkeit, von denen auch jede andere Handlung begleitet sein muss. So erachtet der Islam jede nützliche Handlung, die dem Wohl der Menschen gereicht, als gottesdienstliche Handlung. Und gemahnt uns, alles, was wir machen, auch ernst zu nehmen und ordentlich zu machen. “Und tut es gut, denn Allah liebt diejenigen, die es gut tun!” [2] heißt es im Koran. Und auch unser Prophet (s.a.w.) gemahnte uns in diesem Sinne, als er sagte: “Allah, der Erhabene, liebt es, wenn ihr das, was ihr tut, auch gut und ordentlich tut.” [3]

Verehrte Muslime,

wer sich in seinen Gottesdiensten aber auch allen anderen Handlungen von diesem Grundgedanken leiten lässt, wird sehen, dass eine gewisse Ordnung und Konsequenz in seinem Leben einkehrt. Denn sind Gedanken, Wort und Handlung erst einmal im Einklang miteinander, erreicht der Mensch eine gewisse Zufriedenheit in seinem Leben. Zufrieden wird er sein mit sich selbt, seiner Familie und seinen Mitmenschen - und das Wichtigste: diese werden es auch sein mit ihm. Ehre und Achtung wird ihm dies einbringen in der Gesellschaft und dieses wiederum seiner Glückseligkeit in beiden Welten Tür und Tor öffnen.

So ermahnt uns der Koran wie folgt: “Wer sich Allah ergibt und sich Ihm zuwendet - aufrichtig Ihm dienend -, der hat seinen Lohn bei seinem Herrn. Keine Furcht kommt über sie und nicht werden sie traurig sein.”  [4]

Verehrte Gläubige,

wer im Leben stets spricht und handelt, als würde er Allah dabei sehen, wird damit nicht nur eines Glücksgefühls habhaft. Er wird sich damit auch in der Verantwortung sehen, ethisch und verantwortungsvoll zu handeln. Als Beispiel und Vorbild für ein solch verantwortungsbewusstes Leben wird in der islamischen Tradition gerne folgende Begebenheit angeführt:

Der Gefährte des Propheten (s.a.w.) und Kalif, Omar ibn al-Chattāb (r.a.) traf auf einer Reise auf einen Hirten, der seine Herde gerade von der Alm runter führte. Es war eine recht große Herde. Omar (r.a.) bat den Hirten darum, ihm ein Schaf abzukaufen. Der Hirte entgegnete:

- “Die Schafe gehören nicht mir. Und außerdem bin ich ein Sklave. Ich habe also kein Verkaufsrecht.”

Omar (r.a.) aber wollte ihn auf die Probe stellen und beharrte weiterhin:

- “Woher sollte deinem Herren bei der Vielzahl an Tieren auffallen, dass eines fehlt. Du kannst ja sagen, dass die Wölfe das Tier gerissen hätten!”

Doch der Hirte erwiderte:

- “Auch wenn er es nicht weiß, so weiß es doch Allah!”

Da war der Kalif so gerührt, dass er seine Tränen nicht mehr halten konnte und weinte. Später suchte er den Besitzer der Herde auf. Er kaufte den Sklaven frei und entließ diesen in die Freiheit mit folgendem Bittgebet für ihn:

- “So wie dir deine Worte und dein Handeln in dieser Welt Freiheit gebracht haben, so mögen sie dich auch im Jenseits freisprechen.” [5]


Verehrte Muslime,

so lasst uns stets handeln im Bewusstsein, dass Allah uns dabei sieht. Denn dieses Bewusstsein wird uns verhelfen zur Aufrichtigkeit im Glauben und Handeln. Meine Predigt möchte ich an dieser Stelle beenden mit Vers 26, Sure Yūnus: “Diejenigen, die ihre Sache aufrichtig tun, erwartet (als Gegenleistung) Gutes und noch mehr. Ihre Gesichter werden weder von Schwärze bedeckt noch von Schmach. Sie sind des Paradieses und werden hierdrin ewig verweilen.” [6]

[1] Buchari, Iman, 37. I, 18.
[2] Baqara, 2/195.
[3] Beyhaqi, Schuabu l-Iman, 4/334.
[4] Baqara, 2/112.
[5] Vgl. Ghazali, Ihya al- Ulum, IV.
[6] Yunus, 10/26.

Muharrem KUZEY
Religionsbeauftragter der DITIB Zentralmoschee Köln

2012-06-22    


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