Freitagspredigt

Die Zekat

بِسْمِ اللهِ الْرَّحمَنِ الْرَّحِيمِ
وَفيِ اَمْوَالِهِمْ حَقٌّ لِلسَّائِلِينَ وَالْمَحْرُومِ

Bismillāhirrahmānirrahīm

[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
„Die Bedürftigen und Notleidenden haben ein Anrecht an ihrem Vermögen.“

[Sure Zāriyāt, Vers 19]


Verehrte Muslime,

für die vielen Gaben, mit denen uns Allah ausgestattet hat, schulden wir Ihm Dank. Diesen bringen wir sowohl mit unseren Gottesdiensten zum Ausdruck, die wir mit unserem Körper verrichten - mit dem Ritualgebet z.B. oder mit dem Fasten. Als auch mit solchen, die wir unter Einsatz unseres Vermögens erfüllen - wie z.B. das Spenden in Allahs Weg (infāk), unseren Schuldnern ihre Schulden zu erlassen (qard hasan), die Sadaqa oder die Fitra. Die Zekat, die Abgabe auf überschüssiges Vermögen, von der unsere heutige Predigt handelt, gehört ebenfalls zu diesen materiellen Gottesdiensten. Als solche gehört sie zudem zu den Säulen des Islam. Sie wurde den Muslimen im zweiten Jahr der Hidschra als Pflicht auferlegt.

Zekat bedeutet soviel wie Vermehrung oder auch Reinigung. Als Terminus der islamischen Rechtswissenschaft steht sie für die Abgabe auf überschüssiges Vermögen, deren Höhe und Fälligkeit nach genauen Regeln berechnet wird. Wer nach diesen Regeln als reich eingestuft wird, muss einen gewissen Teil seines Vermögens an Bedürftige abgeben. Die Zekat wird im Koran an 32 Stellen erwähnt. In einer dieser heißt es: “Verrichtet das Gebet und entrichtet die Zekat. Und leihet Allah ein schönes Darlehen (qardan hasanan). Und alles Wohl, das ihr für euch vorausschickt, das findet ihr bei Allah wieder - wohlbringender noch und noch gewaltiger an Lohn. Und bittet Allah um Vergebung. Denn sehet, Allah ist überaus barmherzig und vergebend.” [1]

Verehrte Brüder und Schwestern,

auf Solidarität legt der Islam besonderen Wert. Materielle Gottesdienste wie die Zekat hat er daher eingeführt, damit die Reichen ihr Vermögen mit den Bedürftigen teilen. Und die Zekat reinigt nicht nur das Vermögen der Reichen, sondern bewahrt sie auch vor Geiz. Der Islam sucht damit auch das Ungleichgewicht zwischen Reich und Arm aufzuheben und den Muslimen damit Solidarität nahe zu legen. Ein Akt, der ihnen insgesamt einen edlen Charakter verleihen und sie als Gläubige vervollkommnen soll.

“Und nimm ihnen die Zekat ab, auf dass sie gereinigt und geläutert werden.” heißt es in Sure 9, Vers 103. Dies weist uns hin auf den individuellen, gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen der Zekat für den Menschen. Und an einer anderen Stelle des Koran erfahren wir wiederum, dass die Zekat das Vermögen nicht mindert, sondern vielmehr mehrt: “Wenn ihr für Allah gebt, wird Er euch hierfür Besseres geben.” [2]

Verehrte Brüder und Schwestern,

das Verrichten der Zekat steht dem Gläubigen nicht frei. Ganz im Gegenteil. Die Bedürftigen haben sogar ein Anrecht am Vermögen der Reichen und diese stehen damit in der Pflicht, hiervon an sie abzugeben. Denn der Koran lässt uns wissen: „Die Bedürftigen und Notleidenden haben ein Anrecht an ihrem Vermögen.“ [3]

Jeder Muslim, der religionsmündig ist, d.h. die nötige körperliche Reife erreicht hat und im vollen Besitz seines Verstandes ist und darüber hinaus frei und im Besitz von Vermögen, das ihn religionsrechtlich als reich einstuft, ist demnach zum Entrichten der Zekat verpflichtet. Reich im religionsrechtlichen Sinne sind Muslime, wenn sie abzüglich ihres Grundbedürfnisses und ihrer Schulden weiteres Vermögen besitzen, mit der sie den abgabenpflichtigen Mindestbetrag (nisab) erreichen bzw. übersteigen. Zudem muss dieser Mindestbetrag ein Jahr lang in ihrem Besitz gewesen sein. Zu den Grundbedürfnissen, die als Freibetrag abgezogen werden, gehört ein Geldbetrag, den der Gläubige braucht, um damit ein Jahr lang auszukommen. Ferner gehören hierzu sein Haus, seine Kleidung, sein Fahrzeug, Bücher für den Eigengebrauch (nicht als Handelsware) sowie das Werkzeug der Handwerker und Künstler. Für Vermögen darüber hinaus, mit der man einen berechneten Mindestbetrag (nisab) erreicht bzw. diesen überschreitet, muss die Zekat entrichtet werden.

Verehrte Gläubige,

so entrichtet die Zekat, auf dass euch Glück auf Erden und im Jenseits widerfährt. Denn der wahre Besitzer eures Vermögens und eures Hab und Guts ist unser erhabener Herr. Und Sein Wohlgefallen gilt es hiermit zu erlangen, wenn wir dieser Tage wieder die Zekat entrichten. Dabei sollten wir auch unbedingt darauf achten, die Begünstigten dabei nicht zu demütigen, sondern ihnen die Zekat in gebührend feinfühliger Art zukommen zu lassen.

Möge eine derart entrichtete Zekat wieder das Vermögen segnen und den Familien Eintracht und Frieden bescheren.

[1] Muzzemmil, 73/20.
[2] Sab’a, 34/39.
[3] Zāriyāt, 51/19.

Cemil ALICI
Religionsbeauftragter der DITIB Yavuz Sultan Selim Moschee in Mannheim
2012-08-03    


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